Jeder kann Weihnachten nach seiner Façon feiern, auch wenn das mit Weihnachten nicht viel zu tun hat. Viele machen genau das.

Weihnachten ist ein christliches Fest. Es hat etwas mit Jesus zu tun, der für Christen nicht nur Marias, sondern auch Gottes Sohn ist. Muss man das extra betonen? Daas ist doch seit 2000 Jahren klar. Einerseits. Andererseits haben sich die Zeiten ziemlich geändert. Die Säkularisierung unserer Gesellschaft ist vorangeschritten und wird von einer religiösen Pluralisierung begleitet. Zwar gehört die Hälfte der deutschen Bevölkerung immer noch einer christlichen Kirche an. Aber die Zahl der Andersglaubenden und derjenigen, die ihre Kirchen verlassen haben, ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen.

Nun mag die Verbundenheit mit dem christlichen Glauben geschwunden sein, die Faszination von Weihnachten ist es nicht. Für viele Menschen, ob Christen oder nicht, gehört das Fest zu den Höhepunkten des Jahres. Ein Dezember ohne Weihnachten? Kaum denkbar. Es würde eine emotionale Leerstelle vor allem in den Familien hinterlassen, die wochenlang auf den Heiligen Abend hinfiebern. Auf jenen einen Abend im Jahr, an dem sich die Harmonie erfüllt. Wenn Kinderaugen unterm Weihnachtsbaum leuchten, der gusseiserne Kaminofen wohlige Wärme spendet und Geschenke sagen: Merci, dass es dich gibt.

Dieses Weihnachten ist populär, als Rührstück und utopische Idylle. Es enttarnt uns als unverbesserliche Romantiker, die sich nicht damit abfinden wollen, dass unser Leben unbehaust und gefährdet sein könnte. Wir brauchen die Hoffnung auf das Glück und das Gelingen. Jede vorweihnachtliche Spendenaktion und jedes Weihnachtsgeschenk trägt diese Verheißung in sich.

Nur, mit dem christlichen Weihnachten hat das wenig zu tun. Nichts damit, dass Gott in der Heiligen Nacht Mensch geworden ist, um uns Menschen nahe zu sein; dass er in Jesus unser Vertrauen sucht, damit uns ein Existenzwechsel gelingt zu einem Leben in seiner Gegenwart und wir die Welt in einem neuen Licht sehen. Dieses christliche Weihnachten ist keine Flucht aus der rauhen Wirklichkeit, es führt uns mitten in sie hinein.

Also doch, Weihnachten abschaffen, weil dessen ursprünglicher Sinn kaum noch zu erkennen ist? Reicht nicht ein Lichterfest mit „geflügelten Jahresendfiguren“, wie es in der DDR hieß? Der Weihnachtsmann würde vermutlich nicht in eine Existenzkrise stürzen. Und Rudolph, das rotnasige Rentier, sowieso nicht. Dann müssten auch keine christlichen Weihnachtslieder mehr gesungen werden. „Last Christmas“ könnte endgültig „Oh, du fröhliche“ ersetzen, und niemand würde sich mehr in Weihnachtsfeiern diskriminiert fühlen, weil er den christlichen Glauben nicht teilt.

Sind wir davon noch weit entfernt? Mal ehrlich! Haben wir das Christfest nicht schon längst abgeschafft und feiern eine eigene Inszenierung von Weihnachten? Ist die Tradition nicht längst so hohl wie ein Schoko-Nikolaus geworden, so dass sich keiner mehr von Weihnachten provoziert fühlen muss? Könnte es sein, dass die Gleichgültigkeit unsere Form der Toleranz geworden ist und wir uns, in gegenseitigem Respekt, gar nichts Gültiges mehr zumuten wollen?

In Deutschland herrscht Glaubensfreiheit. Keiner muss hier etwas glauben, was er ablehnt. Und jeder kann Weihnachten nach seiner Façon feiern, auch wenn das mit Weihnachten nicht viel zu tun hat. Weihnachten ist aus der Kirche ausgewandert, ist cool und unabhängig geworden, vergnügt sich an Blockbustern im Fernsehen und fragt: Was kostet die Welt? Wünschen wir Weihnachten frohe Weihnachten und Gottes Segen für das neue Jahr.

Michael Strauss