Warum Donald Trump unsere demokratische Kultur untergräbt und Eliten-Bashing in die Irre führt.
Ein Jahr Donald Trump als US-Präsident hat zu einem Verfall der politischen Kultur geführt, den wir uns zumindest in Deutschland und Europa kaum vorstellen konnten. Vor allem die Tatsache, dass er ebenso ungeniert wie erfolgreich die Lüge zum Prinzip seiner Kommunikation gemacht hat, markiert einen tiefgreifenden Wandel des öffentlichen Klimas.
Sicher, schon vor Trump waren politische Debatten von strategischem Kalkül geprägt. Ihr erstes Opfer war stets die Wahrheit. Trump aber scheint den Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit gar nicht mehr zu kennen. Entscheidend ist für ihn allein das, was seiner eigenwilligen persönlichen Auffassung entspringt. Dazu gehört vor allem sein kruder Nationalismus sowie jenes anti-elitäre Pathos, mit dem er sich als volksnahen Gegenentwurf zum Establishment inszeniert.
Damit kann man in Amerika Wahlen gewinnen und – wie es scheint – auch regieren. Das ist das eigentlich Erschreckende: Es gibt ausreichend große Teile der Bevölkerung, die das Vertrauen verloren haben, in der Politik gehe es um Wahrheit. Wem aber die Wahrheit einerlei ist, der hat auch kein Problem mit lügenden Präsidenten. Zumindest so lange nicht, wie dieser persönliche Vorteile verspricht.
Amerika zuerst, das ist für viele dafür die entscheidende Zauberformel. Und noch ist Trump alles andere als entzaubert. Als postmoderner Politmagier hat er vielmehr zahlreiche Zauberlehrlinge auch in Deutschland und Europa gefunden. Wie anders wäre hierzulande der Erfolg der AfD zu erklären? Er beruht auf ähnlichen Phänomenen und Mechanismen, wie Trumps Erfolg in den USA.
Deswegen ist es notwendig, wenn der Wandel des öffentlichen Klimas auch hinsichtlich seiner Auswirkungen für uns diskutiert wird. Dabei verschafft sich allerdings ein Erklärmuster Gehör, das genauso populistisch ist wie Trump und seinesgleichen: Für den Verfall der politischen Kultur und den Abschied von der Wahrheit werden häufig die intellektuellen Eliten verantwortlich gemacht. Einflussreiche Personen, die angeblich den Kontakt zum normalen Bürger und seinen Sorgen verloren haben.
Eliten-Bashing ist auch in unserem Land zu einer beliebten Masche geworden. Davor aber ist zu warnen, schließlich brauchen wir den intellektuellen Diskurs als Lebenselixier unserer Demokratie. Ohne gelehrte Argumente und Fakten, ohne geistreiche und kundige Experten, ohne den respektvollen und zivilisierten Umgang geht die Demokratie zum Teufel.
Schließlich ist sie in entscheidenden Teilen ein Ergebnis der Aufklärung und deren Überzeugung, der Mensch sei ein Vernunftwesen. „Mehr Licht“ war einer ihrer Wahlsprüche, nicht „Mehr Umnachtung“. Damit verband sich die feste Erwartung, der Mensch könne durch rationales Denken sowie eine Verfeinerung der Moral neben seinem persönlichen Wohlergehen auch das Gemeinwohl fördern.
Vor diesem Hintergrund führt die Verabschiedung der Wahrheit in die Abenddämmerung unserer geistigen Erleuchtung. Auch wenn manche Kritik an den Eliten berechtigt ist, ein populistisches Eliten-Bashing führt in die Irre. Wir brauchen die klugen Köpfe, die uns vorangehen und im Zeitgespräch unserer Gesellschaft deutlich machen, was wichtig ist für das gute Leben. Dazu gehören auch die Journalisten, die nicht nachlassen, die Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden.
Mehr als Eliten-Bashing brauchen wir mehr Bildung für alle, auf dass wir klug werden – und erkennen, wie notwendig es ist, den Fakten treu zu bleiben. Sonst führen uns Donald Trump und seine Zauberlehrlinge in ein neues Zeitalter, das mit Demokratie nicht mehr viel zu tun hat.
Michael Strauss