Frank-Walter Steinmeier ist evangelisch, aber Bundespräsident aller Deutschen, welche weltanschaulichen Hintergründe sie auch haben.

Eigentlich hätte Frank-Walter Steinmeier erst in zwei Jahren Präsident werden sollen: Präsident des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages, der 2019 in Dortmund stattfindet. Jetzt hat ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Nachfolger Joachim Gaucks als zwölften Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Das Präsidium des Kirchentages steht nun vor der Aufgabe, für Dortmund einen neuen Präsidenten zu finden. Denn beides zusammen verträgt das Amt des Bundespräsidenten nicht.

Als Bundespräsident ist Frank-Walter Steinmeier der Präsident aller deutschen Staatsbürger, welche weltanschaulichen und kulturellen Hintergründe sie auch haben. Es ist seine Aufgabe, dem inneren Zusammenhalt unseres Landes zu dienen. Deswegen wird er sich in seinem neuen Amt in religiösen Angelegenheiten Zurückhaltung auferlegen. Schließlich repräsentiert er fortan auch den weltanschaulich neutralen, säkularen Staat.

Diese Zurückhaltung haben gerade diejenigen seiner Vorgänger an den Tag gelegt, die der Religion besonders nahe standen. Und davon gab es bezeichnenderweise eine ganze Reihe: Gustav Heinemann, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Johannes Rau, Horst Köhler, Joachim Gauck. Sie alle verstanden sich als evangelische Christen und gaben sich auch als öffentliche Protestanten zu erkennen. Ihre persönliche und politische Haltung war geprägt von einem protestantischen Geist und Ethos.

Beides zeigte sich in der Bereitschaft, Verantwortung für das Miteinander in unserer Gesellschaft zu übernehmen und die politischen Verhältnisse als Bewährungsprobe für den eigenen Glauben zu verstehen. Ohne diesen allerdings an die große Glocke zu hängen oder gar mit volksmissionarischem Eifer zu vertreten. Sie verbanden ihre persönliche Haltung mit kluger staatspolitischer Einsicht.

Nichts anderes dürfen wir von Frank-Walter Steinmeier erwarten. Auch er hat sich in den vergangenen Jahren als öffentlicher Protestant zu erkennen gegeben und stets seine reformierte Tradition betont, wie sie in seiner alten Heimat, dem lippischen Westfalen rund um Detmold, prägend ist. Gerade der reformierte Protestantismus neigt dazu, die Welt als eine christliche Gestaltungsaufgabe zu verstehen und sie im Licht des Evangeliums zu verändern.

Viele Menschen in Deutschland sehen in Steinmeier den richtigen Bundespräsidenten in dieser Zeit, die von vielen neuen Unsicherheiten und Bedrohungen geprägt ist. Sie trauen ihm Standfestigkeit und moralische Integrität ebenso zu wie Mut und die Fähigkeit, von Fall zu Fall die richtigen Worte zu finden. Das hat er in seiner kurzen Rede nach der Wahl bereits unter Beweis gestellt.

Er hat die Demokratie ins rechte Licht gerückt und uns zugesichert, dass er dieses Licht in die dunklen Ecken unserer politischen Auseinandersetzungen und gesellschaftlichen Konflikte tragen will. Der neue Bundespräsident, ein Motivationstrainer für mehr leidenschaftliche Demokratie – keine schlechte Wahl.

Michael Strauss