Die Bekämpfung der Corona-Pandemie zeigt: Eine freiheitliche Gesellschaft in einer liberalen Demokratie kann anscheinend nicht so weit geschlossen werden, wie es aus epidemiologischer Sicht notwendig wäre. Gleiches gilt für unser Wirtschaftsleben. Deswegen brauchen wir einen Strategiewechsel.
Wir kommen aus dem Lockdown einfach nicht heraus. Die Zahl der mit Covid-19 Infizierten sinkt, bleibt aber hoch, trotz massiver Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln. Die Halbwertzeit politischer Versprechen, dass die Verhältnisse bald wieder besser werden, wird immer kürzer. Nun also eine weitere Verlängerung bis zum 14. Februar. Und dann? Haben wir es dann geschafft?
Wohl kaum, denn das Corona-Virus wird uns voraussichtlich erhalten bleiben. Experten gehen davon aus, dass es gar nicht mehr verschwindet, zumal weitere Mutationen entstehen. Angesichts dessen kann die Politik ihre Ratlosigkeit kaum noch verbergen, zumal die jüngsten Lockdowns nur eine geringe Wirkung gezeigt haben.
Vermutlich müssen wir lernen, dass eine freiheitliche Gesellschaft in einer liberalen Demokratie nicht so weit geschlossen werden kann, wie es aus epidemiologischer Sicht notwendig wäre. Gleiches gilt für unser Wirtschaftsleben.
Denn sowohl unsere Gesellschaft als auch unsere Wirtschaft leben von Bewegung und Austausch; davon, dass Menschen freie Bürger sind, aktiv ihr Leben gestalten und wirtschaftlichen Erfolg anstreben. Faktoren, die einem Virus zwangsläufig Angriffsflächen bieten. Wenn das aber stimmt, bleibt uns nichts anderes übrig, als so gut es geht mit dem Corona-Virus zu leben. So, wie mit anderen Viren auch.
Das wiederum bedeutet, dass die bisherige Strategie von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Corona-Pandemie überholt ist und wir eine neue brauchen. Diese muss sich verabschieden von der ausschließlichen Fixierung auf Inzidenzwerte.
Sie muss stärker diejenigen in den Blick nehmen, die besonders bedroht sind: die Hochbetagten und Menschen mit Vorerkrankungen. Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn die rund 730.000 Bewohner in den Alten- und Pflegeheimen so weit geschützt wären, dass ihnen eine durch Corona bedingte Erkrankung erspart bliebe. Denn gerade hier verlaufen Infektionen tödlich.
Die meisten anderen überstehen Corona ja ohne ernsthafte Symptome und Folgen. Deshalb sollten wir Hysterie vermeiden. Es ist nicht sachgerecht, so zu tun, als wäre jede Corona-Infektion ein Todesurteil. Stattdessen ist es notwendig, diejenigen zu schützen und zu retten, die in Lebensgefahr sind. Und zwar durch möglichst gezielte und differenzierte Maßnahmen und nicht mit der Holzhammer-Methode.
Deswegen ist es richtig, so schnell wie möglich vor allem die Menschen in den Alten- und Pflegeheimen gegen das Corona-Virus zu impfen. Eigentlich ein klares und überschaubares Ziel, das allerdings durch die Lieferschwierigkeiten beim Impfstoff ins Hintertreffen geraten ist.
Das ist mehr als ärgerlich, weil es zeigt, dass die Politik nicht vorausschauend genug gehandelt hat. Sie war anscheinend nicht bereit, genügend Geld in die Hand zu nehmen, um bei allen potenziellen Herstellern ausreichende Mengen des Impfstoffs zu bestellen. Auch deswegen wird sich die Rückkehr zu einem einigermaßen normalen Leben für uns alle verzögern.
Das aber sollte wieder beginnen, wenn die Impfkampagne in den Alten- und Pflegeheimen abgeschlossen ist. Dann sollten sowohl die Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens und unserer persönlichen Freiheiten als auch die Einschränkungen der Wirtschaft wieder abgebaut werden. Ungeachtet dessen, dass Abstands- und Hygieneregeln weiter notwendig sind.
Entscheidend ist ein Strategiewechsel. Denn es dürfte – zumindest bis auf weiteres – eine unrealistische Hoffnung sein, dass wir das Corona-Virus besiegen können. Selbst wenn die Entwicklung in asiatischen Staaten diese Hoffnung nährt. Doch auch hier beobachten wir immer wieder neue Ausbrüche der Infektion. Stattdessen müssen wir Wege finden, mit dem Virus zu leben: durch differenzierte und gezielte Maßnahmen, ohne Lockdown und mit der Bereitschaft, der Eigenverantwortung der Menschen mehr Gewicht zu geben.
Michael Strauss